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Römische Kolonien
Ein "Rattenfänger" in der Troas
Das Hauptthema der Kolonie ist der griechisch-römische Gott Apollo (s. Kap. 5.1). In Alexandria Troas wird er fast ausschließlich als Smintheus (= Mäuse- oder Rattenvertilger) verehrt und dargestellt.
Die Kultlegende um Apollo Smintheus ist uns aus literarischen Quellen bekannt (z.B. bei Polemon von Ilion, der im 2. Jh. v. Chr. einen Kommentar zur Ilias verfasst hat). Zudem haben wir das Glück, dass wir die einzelnen Etappen des Lokalmythos anhand der Münsteraner Münzen anschaulich illustrieren können.
Die Kultlegende beginnt mit einer Strafe des Gottes Apollo: Dieser hatte seinem in Ungnade gefallenen Priester Krinis eine Mäuseplage auf die Felder geschickt. Um nach der Vernichtung der Ernte wieder eine Aussöhnung zwischen Krinis und seinem Gott zu erreichen, suchte man die Vermittlung durch den Oberhirten Ordes. Dieser bewirtete beide bei einem Gastmahl (RPC IX Nr. 413) und versöhnt sie so.
Abb. 1: Rückseite einer Bronzemünze aus der colonia Alexandria Troas mit dem Gastmahl bei Ordes (ca. 251-253 n. Chr.). Universität Münster, M 6389
Abb. 2: Der Ausschnitt der Münze zeigt die vom Pfeil getötete Maus
Darauf zog Apollo die Mäuse wieder ab. Die Vernichtung der Mäuse wird unterschiedlich im Bild umgesetzt: So erschießt der Gott sie mit einem Pfeil (darauf weist das Detail bei M 6389) oder er zertritt sie (M 5347; M 4392):
Abb. 3: Die Rückseite einer hellenistischen Bronzemünze aus Alexandreia Troas zeigt Apollon Smintheus mit einer Maus (ca. 301-281 v. Chr.). Universität Münster, M 5347
Abb. 4: Der Ausschnitt der Münze zeigt das Detail mit dem Fuß des Gottes auf der Maus
Mit dem „Fuß auf der Maus“ – so ist das Kultbild im Tempel tatsächlich auch literarisch überliefert (Strabon 13,1,48).
Literarische Überlieferung und Münzbilder erzählen die Geschichte unterschiedlich weiter: Polemon berichtet, dass Krinis aus Dank daraufhin den Apollo Smintheus-Kult gründete und eine Kultstätte errichtete. Dieser Tempel (M 2910) war ein extraurbanes Heiligtum (also ein Tempel außerhalb des eigentlichen Stadtgeländes) und befand sich in Chryse, dem heutigen Dorf Gülpinar; die Anlage und viele seiner Bauteile sind uns bis heute gut erhalten.
Abb. 5: Bronzemünze aus Alexandria Troas mit dem Tempel des Apollon Smintheus auf der Rs. (ca. 211-217 n. Chr.). Universität Münster, M 2910
Die Münzen erzählen einen anderen Aspekt der Geschichte: Hier macht sich Ordes (mit einem Pferd) auf die Suche nach der Kultstätte des Gottes (ob dies tatsächlich sein Ziel war oder ob er "zufällig" darauf gestoßen ist, ist dabei unklar) (M 1045). Schließlich trifft der Hirte in einer Grotte auf den Gott und dieser offenbart sich dem Hirten (M 2909), das heißt der Gott erscheint zweimal im Münzbild, einmal als liegendes Kultbild in der Grotte, einmal aufrecht stehend als göttliche Erscheinung ("Epiphanie"):
Abb. 6: Rückseite einer Bronzemünze aus Alexandria Troas mit dem Priester Ordes und (s)einem Pferd (ca. 210-213 n. Chr.). Universität Münster, M 1045
Abb. 7: Rückseite einer Bronzemünze aus Alexandria Troas mit dem Priester Ordes, der das Kultbild in einer Grotte findet (ca. 251-253 n.Chr.). Universität Münster, M 2909 (= RPC IX Nr. 444)
Abb. 8: Das Detail der Münze zeigt die "Erscheinung" des aufrecht stehenden Gottes auf der Grotte
Während die hellenistischen Münzen "nur" den Gott (dafür mit dem ungewöhnlichen, aber charakteristischen Detail "Fuß auf der Maus") zeigen, erzählen die viel späteren Münzen der römischen colonia die lokale Kultlegende ausführlich in mehrenen Etappen.
[TW]
Weiterführende Literatur:
- P. Weiss, Alexandria Troas. Griechische Traditionen und Mythen in einer römischen Colonia, in: E. Schwertheim – H. Wiegartz (Hrsg.), Die Troas: neue Forschungen zu Neandria und Alexandria Troas II (1996) 157-173
- K. Martin, Von Münzen und Mäusen, in: "Münze des Monats", s. https://www.uni-muenster.de/Numismatik/muenzedesmonats/archiv2020.html (> Monat März)