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Athen in archaischer und klassischer Zeit
Das athenische Geld entwickelte sich, entsprechend der politischen Bedeutung der Stadt, in klassischer Zeit zur bekanntesten Währung der griechischen Welt. Der Beginn dieser Münzprägung ist keine Erfolgsgeschichte: zu übermächtig war Ägina und auch in der Wahl des Aussehens bewies man anfänglich keine glückliche Hand. Im Gegensatz zu anderen Münzstätten beschränkte man sich nicht auf ein prägnantes Vorderseitenmotiv, sondern ließ eine Reihe von Bildern zu, darunter eine Amphora, ein Astragal, ein Pferd, ein Wagenrad, ein Triskeles oder ein Rinderkopf. Häufig sind diese Bilder, wie etwa der Triskeles, von einer Kreislinie umgeben. Diese Motive schmücken auch Schildzeichen von athenischen Kriegern auf attischen Vasen. Deshalb wurden die Bilder für die Wappen führender athenischer Familien gehalten, in deren Auftrag die Münzprägung erfolgt sei. Die Münzen erhielten in der Forschung die bis heute verwendete Bezeichnung 'Wappenmünzen', obwohl diese Deutung nicht mehr akzeptiert ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Münzen in einer einzigen zentralen Prägestätte hergestellt worden sein müssen, denn abgesehen von einheitlicher Herstellungstechnik und gemeinsamem Münzfuß teilen sich auch einige unterschiedliche Vorderseitenmotive denselben Rückseitenstempel. Damit entfällt zumindest die Vorstellung einer privaten Prägestätte. Die Vielfältigkeit der Bilder bleibt jedoch erklärungsbedürftig. Athena mit ihren Attributen und die panathenäischen Spiele bieten ein weites Bildspektrum, zu denen die Münzmotive passen. Die Triskeles und der Rinderschädel lassen sich mit den Laufwettbewerben in Verbindung bringen. Das Gorgonaion auf der etwas späteren Tetradrachme ist ein Attribut der Athena. Für den frontal ausgerichteten Löwenkopf auf der Rückseite dieser Münze ist allerdings in diesem Kontext keine plausible Erklärung zu finden, so dass die Fragen um die frühen Bilder Athens nicht endgültig beantwortet zu sein scheinen. Die frühe Münzprägung wurde nicht in großen Mengen hergestellt, blieb im Münzumlauf wesentlich auf Attika beschränkt, obwohl Athen mit seiner schwarzfigurigen Keramik ein weitverhandeltes Exportgut besaß. Gerade in der Vielfältigkeit der Bilder mag mit ein Grund bestanden haben, dass sich das frühe athenische Geld mangels leichter Wiedererkennbarkeit bei den Händlern keiner Beliebtheit erfreute.
Die Entscheidung, die Vielfalt aufzugeben und sich auf ein Münzbild zu beschränken, fiel im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts v. Chr. Es wurde eine neue Einheitsmünze geschaffen, die heute zu den bekanntesten antiken Münzen überhaupt zählt. Sie zeigt auf der Vorderseite den behelmten Kopf der Stadtgöttin Athena. Auf der Rückseite ist in einem vertieftem Quadrat (sog. quadratum incusum) eine stehende Eule dargestellt. Sie hält den Körper in Dreiviertelansicht zur Seite gewandt. Ihr Kopf aber ist frontal auf den Betrachter gerichtet, den sie aus großen runden Augen anblickt. Die Eule (genauer Steinkauz, gr. glaux), ein Begleittier der Göttin Athena, galt den Athenern als ein weises Geschöpf. Unklar ist jedoch, ob die Eule als ein kluges Tier zum Attribut der Schutzgöttin der Wissenschaft wurde, oder ob umgekehrt die Weisheit der Athena auf das Tier übertragen wurde. Jedenfalls war die Klugheit der Eule schon in der Antike Thema von Fabeln der Dichter Aesop und Phaedrus.
Die Athener setzten nun erstmals ihren Namen auf die Münzen und garantierten damit für den richtigen Münzwert und die Reinheit des Silbers (Schrot und Korn). Schon aus dieser Änderung wird deutlich, dass man die weiter entfernten Handelspartner im Blick hatte, denn für den lokalen Gebrauch wäre diese Benennung nicht nötig gewesen.
Das Münzbild blieb über 300 Jahre im Wesentlichen unverändert. Das durch Aristophanes geschaffene Sprichwort "Eulen nach Athen tragen", das meint, den Gesprächspartner mit etwas Altbekanntem zu langweilen, bezieht sich auf diesen Wiedererkennungswert der Münzen. Und tatsächlich lösten die athenischen Eulen rasch die äginetischen Schildkröten in der Beliebtheit als Handelsmünze ab, wie zahlreiche Funde von Sizilien bis nach Ägypten belegen. Ein Fund, der den Wechsel gut illustriert, ist der Fund von Zagazig in Ägypten. Er enthält zwar noch einige äginetische Münzen, aber das athenische Geld bildet die Mehrheit.
Die frühesten Münzen sind noch in spätarchaischem Stil, deutlich erkennbar an den Buckellocken, der Verzierung des Helmbuschhalters mit einer Zickzacklinie, der Gestaltung des Ohres oder in der Art, wie das Auge angegeben ist.
Im Bereich der Tetradrachmen verändert sich das Bild der Athena unter Beibehaltung einiger Archaismen im fünften Jahrhundert nur allmählich in Richtung strenger Stil, der dann bis in das vierte Jahrhundert verbindlich für die athenischen Münzen bleibt. In dieser Persistenz drückt sich der Wunsch aus, durch ein unverändertes Aussehen der Münzen Wertstabilität zu vermitteln. Bei der langsamen Entwicklung ist jeder Veränderung der Ikonographie Gewicht beizumessen. Besonders die Hinzufügung von einem Olivenkranz, von dem drei aufrecht stehende Blätter zu sehen sind, gilt als Siegessymbol nach der Zurückschlagung der Perser bei Marathon.
Das attische Nominalsystem war weit verbreitet. Viele Städte lehnten sich in ihrer Münzprägung an den attischen Münzfuß an. Neben Athen existierten aber parallel dazu immer auch andere Nominalsysteme, die teilweise die gleichen Münznamen benutzten, jedoch abweichende Gewichtsstandards setzten oder sogar eigene Münzbezeichnungen führten (z.B. wurde in Sizilien die Drachme in 5 Litrai und 60 Unzen unterteilt). Man unterscheidet z.B. zwischen äginetischem, korinthischem, milesischem, persischem und phönizischem Münzfuß, um nur einige zu nennen. Die Verwendung unterschiedlicher Nominalsysteme verdeutlicht die Unabhängigkeit der einzelnen Münzstätten. Die Wahl eines Münzfußes oder dessen Wechsel durch eine Stadt kann aber auch als Indiz für entsprechenden wirtschaftlichen und politischen Einfluss gewertet werden. Ein besonderes Indiz für die Beliebtheit der athenischen Münzen sind Nachprägungen oder Eigenschöpfungen in Regionen, in denen das athenische Geld kursierte. Hierzu gehörten Lykien, die Levante und Ägypten bis hin zur arabischen Halbinsel.
In der "imperialistischen Phase" Athens im 1. Attischen Seebund versuchte Athen um 423 v. Chr., die Bündnispartner zur Aufgabe ihrer Münzen zugunsten der Übernahme der attischen Eulen zu zwingen: "... Das Volk soll Herolde wählen, um die jetzigen Volksbeschlüsse zu verkünden, und sie zu den Städten aussenden, einen nach Ionien, einen zu den Inseln, einen zum Hellespont, einen in die thrakischen Gebiete, die Herolde aber soll das Volk auf der Stelle wählen und die Feldherren sollen sie schleunigst aussenden, im anderen Fall sollen sie mit 10.000 Drachmen bestraft werden. Die Beamten in den Städten sollen diesen Beschluß auf einer steinernen Säule anbringen lassen und dies auf dem Markte einer jeder Stadt aufstellen ... Der Ratsschreiber soll zu dem dem [athenischen Rat] abgenommenen Eid folgendes hinzufügen: Wenn einer Silbermünzen in den Städten schlägt und nicht die athenischen Münzen und Gewichte oder Maße anwendet, sondern fremde Münzen und Gewichte und Maße, so soll Bestrafung eintreten nach dem früheren, von Klearchos veranlaßten Volksbeschluß. Alle Privatpersonen sollen das ausländische Geld abgeben, jeder, wenn er will, die Stadt [Athen] aber soll es eintauschen." [Übers. W. Arend]. Auch wenn für einige namhafte Münzstätten (Abdera, Ainos, Chios, Knidos, Kolophon, Kos, Samos, Teos und Thasos) eine Prägeunterbrechung für die 40er und 30er Jahre des 5. Jahrhunderts beobachtet wurde, blieben derartige Versuche des Eingriffes in die kommunalen Belange anderer Städte in klassischer Zeit ohne längerfristigen Erfolg.