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Was ist römisch?
Das Stadtgebiet und ein pflügender Priester
Bei der Gründung der Kolonie (Deduktion) standen zunächst administrative und technische Handlungen an: Die zur Verfügung stehende Fläche musste vermessen, verteilt und zugewiesen werden, damit sie letztlich von den neuen Kolonisten bebaut und bewirtschaftet werden konnte.
Wie heute der offizielle "erste Spatenstich" gehörte in der Antike das "Pflügen der ersten Furche" (lat. sulcus primigenius) als ein zeremonieller Akt dazu, der die technischen Vorgänge feierlich begleitete. Antike Autoren überliefern, dass zwei (weiße) Rinder vor den Pflug gespannt würden, eine Kuh und ein Ochse. Der Vorgang, wie ihn u.a. Plut., Romulus 11 für die Gründung von Rom beschreibt, wurde von den Römern auch bei der Gründung sämtlicher coloniae beibehalten.
Abb. 1-4: Rückseiten von Münzen aus den Kolonien Berytus (Universität Münster, M 1495), Petra (M 6006), Caesaraugusta (M 99) und Patras (M 861), die einen Pflügenden mit einem Ochsengespann zeigen
Man findet dieses Moment auf Münzen abgebildet in vielen Kolonien rund um das Mittelmeer, von Spanien bis in die Levante. Die Darstellung variiert in (lokalen) Details, wie die Beispiele (Abb. 1-4) zeigen. In der Regel trägt der Pflügende ein aufwändiges langes Gewand, manchmal eine römische Toga – in jedem Fall das Gewand eines angesehenden Bürgers, das beim Pflügen in der Praxis völlig ungeeignet wäre! Schon dieses Detail machet deutlich, dass hier kein landwirtschaftlicher Arbeitsprozess, sondern ein ritueller Akt thematisert wird.
Interessant ist, dass der Pflügende auf den Kolonialmünzen nicht immer sein Gewand über den Kopf gezogen hat (lat. capite velato = "mit verhülltem Haupt"), was eine sakrale Handlung nach römischem Ritus anzeigen würde. Vielmehr zeigt sich hier griechischer Einfluss auf ein eigentlich ur-römisches Motiv und damit die Verortung in eine griechisch geprägten Umgebung.
[Anmerkung: Gelegentlich wird in der Literatur von einer Kuh und einem Stier gesprochen, die den Pflug ziehen. Das scheint wenig praktikabel, eher ist von einem Ochsen auszugehen. Die Münzen unterscheiden nicht zwischen männlichem und weiblichem Tier]
Weiterführende Literatur:
- A. Filges, Münzbild und Gemeinschaft. Die Prägungen der römischen Kolonien in Kleinasien (Bonn 2015) bes. S. 243-250
- G. Brands, Der Bogen von Aquinum, Archäologischer Anzeiger 1991, bes. S. 589-591