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Bilddateien sind Public Domain Mark 1.0. Münster, Archäologisches Museum der Universität, ID8. Aufnahme durch Robert Dylka.

Domitianus
Inventarnummer: M 2077

Münzstand: Antike Herrscherprägung, Münzherr: Domitianus (51-96 n. Chr.)

Nominal: Sesterz

Datierung: 88 n. Chr.

Land: Italien
Münzstätte: Rom (Italia)

Vorderseite: [IMP CAES] DOMIT AVG GERM - P M TR P VIII CENS PER P P. Kopf des Domitianus n. r. mit Lorbeerkranz.
Rückseite: COS XIIII - LVD SAEC A POP // S C [FRVG AC auf Podest]. Kaiser in Toga und Schale in der r. Hand sitzt auf Podest (suggestus), dahinter Tempel des Iupiter Optimus Maximus in perspektivischer Ansicht mit viersäuliger (tetrastyler) Front; im Giebelfeld Kranz. Davor zwei Bürger, die Erntegaben darbringen.

Herstellung: geprägt

Münze, Messing, 25,46 g, 37 mm, 6 h

Dargestellte/r:
Domitianus
Veräußerer (an Museum):
Dorotheum Wien

Vorbesitzer:
1. Chorherrenstift St. Florian
2. Apostolo Zeno (11.12.1668 - 11.11.1750)

Literatur: RIC II 1² 307 Nr. 606. Ex Slg. Apostolo Zeno, Katalog Dorotheum I (1955) 34 Nr. 533 Taf. 9 (dieses Stück).

Webportale:
http://numismatics.org/ocre/id/ric.2_1(2).dom.606

Dieser Sesterz gehört zu einer umfangreichen Serie verschiedener Nominale (s. M 2079), mit der Domitian einzelne Stationen der Säkularfeiern (ludi saeculares) des Jahres 88 n. Chr. darstellen ließ. Ihre Herkunft liegt im Dunkeln. Erstmals nachweisen lassen sich die Spiele für das Jahr 249 v. Chr. mitten im 1. Punischen Krieg. Der römische Gelehrte M. Terentius Varro berichtet, dass die Römer in der Not des ungünstigen Kriegsverlaufs die Sibyllinischen Bücher konsultierten und auf deren Weisung für die römischen Unterweltsgötter Dis Pater und Proserpina auf dem Tarentum, einem am Tiber gelegenen Platz des Marsfeldes, während dreier Nächte Sühnefeiern zu deren Besänftigung abhielten (daher auch ludi Tarentini). Diese Feiern sollten dann alle 100 Jahre wiederkehren. Aber schon für 149 v. Chr. ist die Quellenlage unsicher; 49 v. Chr. fanden sie wegen der Wirren des Bürgerkrieges nicht statt und wären wohl in Vergessenheit geraten, wenn nicht Augustus die Tradition der Säkularfeiern im Rahmen seiner Religionspolitik wieder aufgenommen hätte. Für die ludi saeculares des Jahres 17 v. Chr. ließ Augustus das Zeremoniell entsprechend den politischen Erfordernissen abändern. Aus dem Sühnefest der Reinigung von vergangenen Vergehen, bei dem das abgelaufene saeculum zu Grabe getragen wurde, gestaltete sich eine Feier imperialer Selbstdarstellung. Die himmlischen Gottheiten und der Beginn einer neuen glücklichen Zeit (saeculum aureum) standen von nun an im Vordergrund. Das zu diesem Anlass verfasste carmen saeculare des Horatius zeigt dies deutlich. Zudem ließ Augustus durch die Hüter und Befrager der Sibyllinischen Bücher, die quindecimviri sacris faciundis, das saeculum auf 110 Jahre festsetzen. Durch Claudius entstand neben dieser augusteischen Festlegung der Säkularwende, auf die sich Domitian im Jahre 88, jedoch um sechs Jahre zu früh, und Septimius Severus 204 beriefen, die Tradition, die ludi saeculares als Stadtjubiläum auszurichten, so 47 die 800 Jahr-Feier, 147 unter Antoninus Pius die 900 Jahr-Feier und im Jahre 248, kriegsbedingt um ein Jahr verschoben, die große Jahrtausendfeier (miliarium saeculum) Roms unter Philippus Arabs, die gleichzeitig die letzte war. In diesem langen Zeitraum verloren die Feiern zunehmend ihre sakrale Bedeutung. Der Festakt wurde immer mehr durch glanzvoll inszenierte Schauspiele bestimmt. Geleitet wurden die ludi saeculares durch die bereits erwähnten XVviri, zu denen auch der Kaiser selbst gehörte. Ihren Verlauf können wir aus den augusteischen und severischen Säkularakten, die als Inschriften erhalten blieben, sowie aus der Münzserie des Domitian gut rekonstruieren. Nach Ankündigung der Feiern durch Herolde begann Ende Mai eine siebentägige Vorbereitungszeit, in der die zuständigen Beamten Räucherwerk und Fackeln (suffimenta) für die Reinigungszeremonien verteilten. Im Gegenzug erfolgte die Übergabe von Getreidespenden (fruges) durch Vertreter des Volkes. Diese Vorbereitungen wurden an verschiedenen Plätzen Roms vollzogen, auf dem Kapitol vor den Tempeln des Iupiter Optimus Maximus Capitolinus und des Iupiter Tonans, auf dem Palatin vor dem Apollon-Tempel und auf dem Aventin vor dem Tempel der Diana. Die eigentlichen Feiern fanden jeweils vom 31. Mai bis zum 3. Juni statt und bestanden aus nächtlichen Opfern auf dem Marsfeld und den Tagesopfern vor den o. g. Tempeln. Siebentägige Theater- und Zirkusspiele, Tierhetzen und Wagenrennen beendeten die Feierlichkeiten. Unser Münzbild bezieht sich auf die einleitenden Rituale. Es zeigt den Kaiser auf einem suggestus (Schaupodest), wie er als einer der XVviri aus Anlass der Säkularfeiern (LVDis SAECularibus) vom Volk (A POPulo), vertreten durch zwei römische Bürger, Früchte empfängt (FRVges ACcepit): Die beteiligten Personen geben mit einer Schale die Erstlingsfrüchte der Ernte (Weizen, Gerste, Bohnen) in die aufgestellten Körbe. Dieses Opferschrot diente der Zubereitung der Opferkuchen, die bei den unblutigen Kulthandlungen dargebracht und unter das anwesende Volk verteilt wurden. Der viersäulige Tempel im Hintergrund weist als einzige Besonderheit einen Kranz im Giebelfeld auf, ein Bildzeichen, das ganz allgemein zur Charakterisierung sakraler Gebäude verwendet wird. Weiter hilft uns nur eine Variante unseres Münzbildes. Bei dieser hat der Stempelschneider einen Adler ins Giebelfeld gesetzt, der, besonders im Vergleich mit den beiden anderen Möglichkeiten Apollon- und Diana-Tempel, das Gebäude eindeutig als einen Tempel des Iupiter ausweist. Die Saecularakten nennen zwei Iupiter-Tempel, beide auf dem Capitol. Die Erwähnung des von Augustus 22 v. Chr. geweihten Tempelchens des Iupiter Tonans resultiert aus seiner unmittelbaren Nähe zum Haupttempel Roms, dem des Iupiter Optimus Maximus und seiner Bedeutung als Torwächter für diesen. Er war sicherlich in die Feierlichkeiten miteinbezogen, ist auf dem Münzbild aber keinesfalls gemeint. Als prächtige Kulisse der feierlichen Handlung des Kaisers ist hier eindeutig der große Iupiter-Tempel zu verstehen. Die auf vier Säulen reduzierte Tempelfront erklärt sich neben der gängigen Generalisierung der Darstellung von Architektur auf Münzen allgemein hier im Besonderen aus der Verkürzung durch die perspektivische Ansicht. In der Frontansicht erscheint der Tempel sonst meist sechssäulig. [Michael Fehlauer]

Fotograf Vorderseite: Robert Dylka
Fotograf Rückseite: Robert Dylka

Münzpatenschaft: Michael "Felix" Fehlauer, Münster

Münster, Archäologisches Museum der Universität
Accession Zugangsart Kauf

Zitierweise für dieses Objekt: Digitales Münzkabinett der Universität Münster, M 2077

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